"Weißt du , wie man sich fühlt, wenn man Jahre lang nur Dreck geputzt hat und dann einfach achtlos weggeschmissen wird? Ich lag da auf dem Weg, zwischen all den Holzspänen, die ich noch kurz zuvor zusammen gekehrt hatte, und Autoreifen drückten mich achtlos immer tiefer in den Schlamm-Dreckweg hinein. Mein Leben war hoffnungslos und ohne Dank für meine treuen Dienste weggeworfen. Ich würde wohl hier auf dem Weg verrotten müssen. Aus vorbei mein Leben! Doch dann kommt da ein kleiner Bub mit einer roten Hose und einem grünen Jägerpullover. Seine Mama nannte ihn liebevoll Joscha und strich ihm über das dunkelblonde Haar. Der kleine Bub hob mich vom Weg auf, hielt mich hoch und schrie erfreut in die Frühlingswelt hinein: "Schau, ich hab eine Bürste gefunden, darf ich sie schwimmen lassen?" "Von mir aus", sagte die Frau zu ihrem Kind und war wohl froh, dass er das schmutzige Zeug schnell aus den Händen warf. "Mama, die soll bis ins Meer schwimmen und den Haifischen und Walfischen die Zähne putzen!" "Das ist eine tolle Idee, das soll sie machen. Komm, wir werfen sie in die Möll."
Im hohen Bogen flog ich durch die Luft und landete mit einem Platsch mitten im klaren, eiskalten Wasser der Möll.
"Eine gute Reise und putz den Haifischen und Walfischen ordentlich die Zähne und richte ihnen schöne Grüße aus!" rief mir der kleine Bub hinterher.
Seltsam! Erst lag ich nutzlos und weggeworfen auf einem Weg und plötzlich bekam ich den größten Auftrag meines Lebens. Ich soll ins Meer schwimmen und den Haifischen und Walfischen die Zähne putzen und schöne Grüße ausrichten. Während ich meinen Weg durch die Strömung suchte, rannten die zwei netten Menschen am Ufer entlang neben mir her. "Da ist sie Mama, siehst se?"
Er nimmt seine Mama bei der Hand und zusammen rennen sie am Ufer der Möll weiter neben mir her.
Plötzlich aber stoppt mich ein Stein. Uff, es ist ganz schön anstrengend auf den Wellen zu reiten.
"Vielleicht will sie vorher Steine bürsten, ehe sie Haifischzähne putzt!" meint die Frau und lehnt sich an einen Baum.
Diese Frau erzählt ihrem kleinen Jungen und auch mir, wo ich überall durchschwimmen muss.
"Das ganze Mölltal hinunter bis nach Spittal muss sie schwimmen. Dann fließt die Möll in die Drau und die Drau in die Donau. Die Donau wandert durch einige Länder und mündet im Schwarzen Meer. Das ist ein sehr langer Weg und die Bürste mit den blauen Borsten wird sehr lange unterwegs sein."
"Ob es da wohl Haifischzähne gibt, die ich putzen kann?" frage ich mich. Auf alle Fälle hatte ich eine wichtige Aufgabe und ein Ziel und ist nicht schon der Weg das Ziel?
Eine arme alte Bürste mit blauen Borsten kehrte ins Leben zurück und bekam einen sehr wichtigen Auftrag:
Botschaft zu bringen von einer wunderschönen Bergwelt mit reinen Bächen und Flüssen, mit Grauerlenauen und Mooren; Botschaft zu bringen von Flüssen in denen noch Fische leben und an deren Ufern Vögel brüten; Botschaft zu bringen von Menschen, die einer alten weggeworfenen Bürste den Glauben ins Leben und an den Sinn allen Seins zurückgeben können; Botschaft zu bringen, dass alles lebt und sich irgendwie miteinander verbindet; Botschaft zu bringen, dass jeder eine Lebensaufgabe hat und die Zeit sie zu erfüllen kommen wird; Botschaft zu bringen von einer Welt in eine andere Welt."
Kommentar schreiben
Rosalinde Seiwald (Montag, 07 Februar 2022 08:18)
Wunderschön - diese Geschichte von der blauen Bürste. Weggeworfen, zu nichts mehr nütze, in den schlammigen Boden gedrückt, vergessen, vorbei. Doch dann kommt ein kleiner Bub, der sie findet, seine helle Freude daran hat und ihr wieder Leben einhaucht. Sie soll in Zukunft eine neue große Aufgabe erfüllen, weit weg, in einer völlig anderen für sie neuenWelt. Was sie wohl alles auf ihrer Reise erleben wird?
Eine tiefsinnige Geschichte. Jeder, der sie liest, kann seine eigenen Gedanken weiterspinnen. Es wird viele interessante Reiseerlebnisse geben. Es ist erst der Anfang, wie im Leben. Auch hier heißt es weitermachen, nicht den Kopf in den "Schlamm" stecken und warten, bis es zu Ende ist....