Geschenkte Tage

Nach vier Monaten Almsommer im Glocknergebiet, in Freiheit und den Gefahren der Großglockner Hochalpenstraße, Raubtieren... ist es jedesmal ein dankbares Aufatmen, wenn meine Tiere wieder wohlbehalten an den heimatlichen Sturm-Archehof zurück kehren. Die Frühlingslämmchen sind tüchtig gewachsen und brauchen eine neue Heimat.  Als Bäuerin produziere ich zwar hochwertige Lebensmittel, und doch ist es mein Hauptanliegen, meine Tiere lebend zu verkaufen. Wie freue ich mich, wenn jedes einen Platz zum Leben gefunden hat.

Eine Woche nach ihrer Rückkehr an den Hof, beginnt der herbstliche Lämmersegen. Mathilda, die Tochter meiner guten Merry, bekommt Drillinge und nimmt sogar alle an. Wie es damals ihre Mutter auch tat. Es ist ein besonderer Laut, eine Zwiesprache zwischen Mutter und Kind, was ich schon an der Treppe oben höre, noch ehe ich den Stall betreten hab. Mathilda mit ihren Drillingen kommt erst einmal auf die "Wochenstation", ein kleiner abgetrennter Teil des Stalles, wo sie sicher und doch Teil der Herde sind. 

Jetzt im Herbst, wo unsere Weiden putzstingel abgefressen sind, büxen sie aus in Nachbars Wiesen. Damit sie mir nicht abhauen, begleite ich sie mit dem Fahrrad und Luna und ziehe mit der Herde und wenn sie fressen und zufrieden sind, setze ich mich an den Wiesenrand, in den goldenen Herbst und stricke Batschen, schreibe Tagebuch oder lese, oder leg mich einfach in die Wiese, wo es nicht lange dauert und die ersten neugierigen Lämmchen bei mir auftauchen, an mir nagen und sich irgendwann müde neben mich legen und wir zusammen dösen, während dreistimmiges Glockengeläute meiner Leitschafe uns einschläfert. Warm ist es Mitte November noch im Gebirge und einfach nur schön. Meine Schafdamen und ihr Widder warten dringend auf den "Friseur", auf den Schafscherer.

 

Weil der Fuchs gleich bei der zweiten Zwillingsgeburt auf der Weide ein Lamm gerissen hat, müssen sie von da an Nachts in den Stall. Dies Risiko kann ich nicht eingehen. 

In diesen Oktober und Novembertagen, wo die Tiere noch auf die Weide können, gibt es für mich nur meine Tiere. Sogar meine Mama muss ihren 80igsten Geburtstag ohne mich feiern. Aber in diesen Wochen ist mein Platz als Hirtin einfach in meiner Herde. Sie vertrauen mir und wenn ich den Berg hinauf rufe: "Feierabend, wir gehen heim meine Damen", und dabei mit dem Blecheimer scheppere, reißen sie ihre Köpfe in die Höhe und springen mir entgegen. Die schnellsten bekommen die ersten Hände voll mit Getreide und dann laufen wir los. Ich vorne weg mit einem Ruf, der an den Frühlingsschrei der Ronja Räubertochter erinnert. Es ist eine geballte Ladung Lebenskraft und Lebensfreude in uns allen, die da heimwärts in den sicheren Stall springen. Ich bin ein Teil der Herde und ich bin ihre Hirtin und ich danke meinem Gott jeden Tag, dass ich diese Aufgabe tun darf, dass ich eine Bergbäuerin hoch oben am Berg geworden bin. 

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Kommentare: 3
  • #1

    Stephanie Fabian (Freitag, 30 November 2018 16:12)

    Das hast du sehr schön geschrieben.
    Danke, fürs Teilhabenlassen!

  • #2

    Nici (Samstag, 01 Dezember 2018 00:06)

    Sehr schön �

  • #3

    Rosalinde Seiwald (Mittwoch, 13 Mai 2020 16:09)

    Es tut wohl, deine Schilderung von den Schafen und du mittendrin zu lesen. Und die dazu passenden Fotos kann man immer wieder nur still betrachten, sich in sie vertiefen. Alles ist für den Leser und Betrachter sehr wohltuend und schön. Danke, Angelina.