Frühling mit Corona oder Corona-Frühling.
Erwachen der Natur jedenfalls, derweil in allen Ländern eine Vollbremsung hingelegt wird und wir in Heiligenblut erst einmal für 14 Tage in Quarantäne gesetzt werden.
Meine zwei Jüngsten sind daheim am Hof.
Schüler in höheren landwirtschaftlichen Schulen. Joanna ist Maturantin und lässt sich vom kleinen Bruder erst einmal einen Corona Glatzkopf verpassen. Joschua wollte in diesen Tagen seinen Auto- und Traktorführerschein machen und die Jagdprüfung ablegen. Alles auf unbestimmte Zeit verschoben.
Aber lustig ist es bei uns und Arbeit haben wir ohne Ende und jeden Tag kommt mit dem schmelzenden Schnee mehr Arbeit zum Vorschein.
Keiner darf rein und keiner raus aus unserem Bergdorf. Das kennen wir schon vom November, als wir 10 Tage eingeschneit waren.
Damals wie auch heute, liebe ich diese von der Natur verordnete Einsamkeit und Demut, die sie uns Menschen aufzwingt und abverlangt.
Weil wir es nicht erwarten können, bis man endlich wieder Fahrrad fahren kann, fahren wir kurzerhand mit dem Fahrrad über die noch tief verschneite Wiese um Palmkätzchen zu sammeln. Von den Bäumen muss man sie in diesem Frühling nicht schneiden, weil der Schnee die ganzen Spitzen von den Bäumen gedrückt hat und wir sie nur noch zusammen klauben müssen.
Ohne Palmweihe in der Kirche sind unsere Palmbuschen geweiht und beschützen Haus und Stall und Feld und Acker und Wald und uns. Unsere Osterspeisen sind geweiht, nicht weil ein Pfarrer Weihwasser darüber sprengt, sondern weil ein gütiger Gott sie uns schenkt.
Meine alten braven Hennen legen jeden Tag Eier. Die Ziege wird gemolken. Kartoffeln sind im Keller vorrätig, ebenso wie Äpfel und die Gefriertruhe ist noch gefüllt mit Gemüse vom letzten Sommer und wenn es eng wird, gehen wir in den Stall und schlachten Hasen und Schafe und Kitze, dann muss halt die vegetarische Bäuerin auch wieder mal Fleisch essen, falls es nichts anderes gibt.
Aber die Lebensmittelgeschäfte haben offen, so muss der Bauer Gott sei Dank nicht aufs Bier verzichten und die Kinder nicht aufs Nutella.
"Frühstückspension Pucher", nennt Joschua seinen Dienst, wenn er, nachdem er mir im Stall geholfen hat, seiner Schwester das Frühstück ans Bett bringt und wir erst einmal gemütlich frühstücken.
Die letzten Jahre hatten sie kaum noch gemeinsame Zeit miteinander, die Geschwister. In den Ferien haben sie gearbeitet um Geld zu verdienen und die Wochenenden sind viel zu schnell vorbei.
Corona schenkt uns gemeinsame Zeit als Familie und wir haben Gott sei Dank viel Platz am Hof und in der Landschaft, die wir mit den Hunden durchstreifen.
Die Tiere, so scheint mir, freuen sich auch am lustigen Leben mit den Kindern.
Beim Kachelmoor drüben brüten die Enten und die ersten Frösche und Kröten finden sich ein.
Jedes Jahr aufs Neue ein Naturschauspiel, welches wir uns nicht entgehen lassen.
Die Bachstelzen, Gartenrotschwänze und andere Vögel kommen aus ihren Winterquartieren zurück.
Ob sie sich wundern, dass die Welt plötzlich viel stiller ist und keine weißen Streifen den Himmel durchziehen?
Daheim bleiben dürfen - kein wichtiges Seminar oder sonst ein wichtiger Termin den man nur ja nicht versäumen darf. Einfach nur daheim bleiben und sich zurück ziehen. Zu allen Zeiten habe ich mir selbst eine solche "Auszeit" oder "Quarantänezeit" gegönnt, um heil zu werden. "Gsund bleiben und daham bleiben, so schaffen wir das", ist wohl der Slogan des Jahres 2020.
Während wir die vielen kaputten Zäune reparieren, Ställe ausmisten, Lämmchen geboren werden und Puten und Gänse Nester bauen und Eier legen.
Ich die ersten Samen in die Erde lege, damit wir im Mai eigene Pflanzen für den Acker haben und den ersten Salat, hört man nichts anderes mehr als Corona.
Meldungen von den vielen Toten und die Angst vor den noch kommenden Toten.
Irgendwie habe ich keine Angst. Ich fühle mich geborgen in Gottes Hand und vertraue darauf, dass er mir und uns nur soviel zumutet, wie er mir und uns auch die Kraft dazu schenkt es zu tragen.
Ostergäste fallen genauso weg wie die Einnahmen aus den Ostermärkten und dem Verkauf in der Knopfmacherstube.
0 Einnahmen bei gleichbleibenden Fixkosten.
Das macht dann auch mir Kopfzerbrechen.
Aufatmen als eine Archehofbäuerin den Betrag der Lieferung überweist und wir wieder für kurze Zeit über die Runden kommen.
Noch nie haben wir Geld vom Staat bezogen und waren immer stolz, aus eigener Kraft von einer so kleinen Landwirtschaft im Vollerwerb leben zu können. Reichtum haben wir anders definiert und er wird in diesen Tagen mehr denn je sichtbar und spürbar.
Jedes unserer Kinder hat gelernt Gemüse anzubauen, zu ernten und zuzubereiten. Jedes würde in der Wildnis überleben können. Sie mussten nicht in ein Camp um dies zu lernen. Das Leben auf dem Bauernhof und in der Natur hat sie dies gelehrt.
Und jedes könnte im Notfall auch eine Hose und Jacke nähen und ein Tier töten um Nahrung zu haben.
Die Grundlagen des Lebens, jetzt plötzlich werden sie wieder wichtig und die Bauern mit ihren Erzeugnissen wieder etwas wert. Genauso wie die Verkäufer in den Lebensmittelgeschäften oder die Ärzte und Pfleger in den Krankenhäusern.
Auf was man alles verzichten kann und nicht einmal vermisst, wenn man muss.
Die Gänse und Puten brüten und wir sind gespannt ob was schlüpft. Die Tinke-Katze hat Junge bekommen, ebenso wie die Häsin. Und ich ziehe wieder mit den Schafen und Ziegen auf die Weiden.
Corona ist da und irgendwie auch weit weg.
Die gemeinsame geschenkte Zeit mit meinen zwei "Kleinen" kann mir keiner mehr nehmen, auch nicht das tiefe Durchatmen in der Menschenleere und die Freude über die Rückkehr der Schwalben.
Ohne Zweifel wird uns dieses Jahr tief im Gedächtnis bleiben und tiefe Spuren der Verwüstung mit sich ziehen. Aber anders wird der Mensch wohl nicht kapieren was einzig wichtig ist - nämlich das Leben.
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Rosalinde Seiwald (Dienstag, 12 Mai 2020 11:25)
Hallo Angelina!
Ich glaube, mein erster Kommentar ist nicht angekommen. Ich beglückwünsche dich zu deinen schönen Fotos und den wunderbaren Texten, die so was von wahr sind! Nur so weiter. Ich und viele andere Menschen freuen sich schon auf deine nächsten Beiträge. Vielen Dank!
Inge Fischer (Donnerstag, 04 Juni 2020 13:06)
Liebe Angelina
ich verfolge so gerne deinen Blog und damit dein Leben. Du hast so viel Hingabe zum Leben und damit so viel Liebe. Viele Menschen die nicht so naturnah leben können wie du haben so die Möglichkeit daran teilhaben zu können.
Weiter so... ich freue mich schon auf deine nächsten Beiträge.
Gibt es eine Möglichkeit den Blog zu abbonieren? sodass ich automatisch auf Neues aufmerksam gemacht werde?
Ich wünsche dir viele Fans und einen schönen Sommer
Alles Liebe aus Reichenau