Tagebuch einer Gänsemutter

Frühlingstage sind Tage wo überall neues Leben sprießt. Im Stall bei den Gänsen sind die ersten Gössel geschlüpft. 2 Gänse sitzen noch fleißig auf ihren Eiern und brüten. Ich brüte auch. Im alten Brutapparat. 

Meine Gössel, will ich der Gans unterschieben, die schon 5 Wochen auf ihren Eiern sitzt und es will und will einfach kein Gänschen aus dem Ei schlüpfen.

Ihr will ich meine Gössel geben. Bei den Hühnern funktioniert das ja auch. 

Abends wenn es dunkel ist, will ich ihr die kleinen gelben Federbällchen unterjubeln. Doch sie will sie nicht und beißt und schlägt nach mir und den Kleinen. Die Gössel drücken sich voller Angst ins Stalleck und die Gans setzt sich wieder auf ihre Eier, in denen sich kein Leben rührt. Ich nehme sie wieder mit und setzte sie unter die Wärmelampe.  Am anderen Tag ein erneuter Versuch. Hartnäckig bleiben. Früher oder später kapiert sie schon, dass ich es gut meine mit ihr, denke ich. Nach vielen Versuchen und noch mehr Stunden, gebe ich den Versuch auf und erinnere mich an Konrad Lorenz und dass sich Gössel an den prägen, dessen Stimme sie hören im Ei und beim Schlüpfen.  So also werde ich Gänsemutter und erlebe einen herrlichen Sommer mit 5 kleinen Gänschen. 

Azra, eigentlich ein Jagdhund, entwickelt sich zum Aufpasser der Gössel. Keiner darf mehr in ihre Nähe. Stunden des Tages liegt sie wachend bei den Gänschen und den Küken. 

Unglaublich, was die kleinen für einen Appetit haben. Löwenzahnblüten lieben sie besonders. Gut, dass es davon genügend bei uns gibt. 

Wenn sie genug gefressen haben, wiwern sie nach der Mutter und dann setze ich mich zu ihnen auf den Boden und sie kuscheln sich in meinen Schoß und schlafen. Die Köpfchen kreuz und quer ineinander gesteckt. Warm sind sie, viel wärmer als ich. Und kaum aufgewacht geht das fressen und baden weiter. 
Gänse sind Veganer.

Lange schon versprochen, bekommen die Gänse in diesem Jahr endlich ihren Teich beim Hof. Die "Krake" legt Mist auf und weil schon mal ein Bagger da ist, nutze ich die Gelegenheit und lass ein Loch graben. 

Seit 1939 rinnt das Brunntrogwasser oben hinein und unten hinaus auf die Wiese. Seit Mai läuft das Wasser jetzt in den Teich und dann erst in die Wiese. Langes bangen, ob der auch dicht wird und dicht bleibt. Nach Wochen, da waren die Gänschen tüchtig gewachsen und haben ihr Jugendkleid gegen das reinweiße Erwachsenenkleid getauscht,  leben sie  mit den Österreichischen Landgänsen in Akzeptanz, baden sie in ihrem Gänseteich. Immer schöne getrennt. Erst die eine Gänsegruppe, dann die andere. In den Gänsestall durften meine Gänse  nie hinein.

So blieben sie Nachts im großen Stall in einer Ziegenbox. 

 

 

Azra als Aufpasser von meinen Gänschen, wird von den Österreichischen Landgänsen in die Flucht geschlagen. 

Die passen auf ihren Nachwuchs auf. 

Die Wiesen stehen da in einer Blütenpracht und Vielfalt, dass man jedes Jahr nur staunen kann.

Auch wenn wir leider beobachten müssen, dass sich der Klappertopf unverschämt auf unseren Bergwiesen ausbreitet. 

Jakob darf viele Wochen  im Sommer bei Oma und Opa auf dem Sturm-Archehof verbringen. 

Wir lesen das Buch "Wir Kinder vom Sturm-Archehof" und der kleine mutige Bub möchte wie sein Papa damals, eine Gans am Kragen packen. 

Also sitzen wir bei den Gänsen, schauen ihnen zu und warten bis sie aus unseren Händen Löwenzahn fressen.

Leider klingelt mein Handy und ich muss den Anruf dringend annehmen. Weil die Gänse so laut schnattern, dass man einfach kein Wort versteht, geh ich ein paar Schritte weg, dreh mich nur kurz um und schon hängt eine Gans an Jakobs Bauch. 

Der muss sich nun tatsächlich wehren, wie vor vielen Jahren sein Papa auf der Alm und schnappt die Gans am Kragen, dass sie aufhört ihn in den Bauch zu zwicken. 

Ich eile ihm zu Hilfe, der Anrufer bleibt wohl in der Warteschleife. 

Tagelang hat der Bub noch einen blauen Fleck am Bauch und erinnert sich im Nachhinein stolz an seine Selbstverteidigung.

Erst wie sie bei einer Führung auch die Leute angehen, die in meine Nähe kommen, kapiere ich, dass die Gänse mich verteidigen. 

Und jeder der mit Gänsen lebt und Gössel groß zieht, wird erleben, dass sie im Herbst mit streiten anfangen. Die geschlechtsreifen Ganter werden vom Ranghöchsten Ganter aus der Gruppe vertrieben. 

Ein kluger Mensch, der den Brauch vom Martinsgansl zum Martinstag am 11.11. eingeführt hat.

Da wurden auch bei uns die ersten Gänse geschlachtet.

Die nächsten dann wurden als Weihnachtsbraten auf den Tisch gebracht. 

Nur eine von meinen 5 Schützlingen ist am Leben. 

Sie hatte Glück. Denn in der Mitten hat die große Schneefräse soviel Panik in eine Gänsegruppe gebracht, dass eine davon geflogen ist und nicht mehr gefunden wurde. So wurde bei mir "Nachschub" geholt.

Voll Freude und Dankbarkeit, dass wenigstens eines am Leben bleiben darf, trage ich mein Gansl ins Auto und wünsch ihm viel Glück. 

 

 

Leben zu begleiten, vom zarten Anfang bis zum bitteren und oft traurigen Ende ist ein Privileg, das heute nicht mehr allzu viele Menschen leben können.

Wir, die dieses Privileg noch in Händen halten, sollten es als kostbaren Schatz betrachten und dankbar dafür sein. 

Zu wissen was man isst, zu wissen wie ein Tier gelebt hat und wie es gestorben ist, macht den wahren Wert dieser Arbeit und Lebensmittel  aus. 

Wohl erst, wenn man einige Male all diese Kreisläufe mitgegangen ist, all diese viele Arbeiten getan hat und gesehen hat, wieviele Futtersäcke Getreide man in den Stall tragen muss, wieviele Radltrogn Mist man aus dem Stall schaufelt, wie lange man braucht, bis so eine Gans von Hand gerupft ist, begreift man, dass so ein Martins- oder Weihnachtsgansl sein Geld wert sein muss. 

 

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